Heiße Schlacht um „Cool“!

Alles ist „cool" heutzutage. Mit „cool", diesem ebenso urtypischen wie hochaktuellen deutschen Kurzwort, umschreibt der moderne Mensch eine Frau, die er früher als wahnsinnig aufregend bezeichnet hatte. „Cool" ist heute die kürzeste Rezension eines gelungenen Bach'schen Oratoriums und „cool" ist die glatte 2 in Französisch, die die Tochter nachhause bringt. Oder wenn Opa ein Bundesverdienstkreuz kriegt. „Ganz cool bleiben" - sage ich immer zu Alexander, der ein bisschen altmodisch ist und lieber ausführliche „soziale Butter" formuliert. Statt „cool" zu formulieren. Alexander „sülzt" dann leicht ein wenig rum, der Gute. Als Gegenwelt zur coolen Welt sozusagen. Er ist halt ein bisschen von gestern. „Cool" sage ich zu Alexander," ist eine Vereinfachung des Lebens. Cool ist ehrlicher. Die Welt ist nun mal so. Coole Alltagsbeispiele, mit denen Alexander sich schwertut: Altmodisch wie Alexander ist, gratuliert er zum Beispiel Eckhardt zur Wiederwahl als Direktorstellvertreter. Eckhardt ganz cool - murmelt nur. Mir reicht das Abstimmungsergebnis". Der arme Alexander fühlt sich mit seiner Gratulation nicht nur zurückgewiesen, sondern trauert jetzt schon: Denn wenn Eckhardt nicht begratuliert werden möchte, weil „cool" in ist, dann wird Eckhardt auch ihm nicht gratulieren. Oder: „Blumig" findet Sabine Alexanders Stil in der Korrespondenz mit der Verwaltung und den Behörden. Sie hat natürlich recht: Ein § 61 einer Verwaltungsempfehlung empfiehlt höflichen, aber knappen Stil zu pflegen. Selbst umgekehrt (knapp, aber höflich) kann Alexander nicht mithalten. Wenn er erfährt, daß jemand aus dem Urlaub zurückgekommen ist und sein Brief unter der Post wartet, dann sülzt er eben auf seine rührende Weise. Zum Beispiel „Schön, daß Sie wieder da sind.“ Oder: „Ich wünsche gutes Einfädeln in den Alltag“ - Und Weihnachten, Neujahr und Geburtstag da bricht sich Alexander dann erst recht einen ab, um abzuweichen von den Antworten auf die Fragen nach dem Fest („cool") oder Silvester „ganz cool". Noch Mitte Januar wünscht Alexander den Leuten „frohes, neues" Jahr in allen nur erdenklichen Varianten. Vermutlich fühlt sich Alexander drüben in den Staaten wohler als hier, obwohl das „cool" von dort stammt: Da gibt es diese Alltagsfreundlichkeit, auf die er reinfällt, weil er sie ehrlich nimmt. Der Arme. Er ist eben ein Opfer dieser Selbsterfahrungsgruppen der 70er Jahre, in denen man den Raum nie verlassen durfte - noch nicht mal zähnefletschend oder wegen Blasenüberdruck - ohne den Zurückbleibenden zu versichern: Ich hab Euch alle lieb. Nein, Alexander ist so etwas wie ein Rudiment, ein Rest. Aus einer alten Zeit.

23. Januar 1996